Kampf und Kunst

Wir haben hier ja schon mehrmals über „Bilder“ und „Ideen“ geschrieben, aber wie hängen diese zusammen?
Um das zu verdeutlichen möchte hier ein Beispiel aus der Kunst nutzen: Michelangelos Decke in der Sixtinischen Kapelle. Die Decke selber ist ein „Bild“, welches aus vielen einzelnen „Bildern“ besteht. Diese Bilder wiederum bestehen aus vielen einzelnen Ideen.

Die „Erschaffung Adams“ in der Mitte, zum Beispiel, ist ein Bild innerhalb der Decke. Dieses Bild beinhaltet verschiedene inhaltliche Ideen. Man achte z.B. auf das Gehirn in dem Gott ist, oder auf die Gesichter der Personen (genaueres sollte man sich aber von einem versierten Führer vor Ort, im Vatikan, erklären lassen…).

Die inhaltlichen Ideen setzte Michelangelo wiederum durch verschiedene handwerkliche Techniken um. Diese Techniken sind auch „Ideen“ um bestimmte Effekte zu erreichen (3D-Effekte, Perspektive etc.).

Was hat aber nun diese Decke mit der Kampfkunst, insbesondere der chinesischen Kampfkunst, zu tun? Ganz einfach:

Die Handhaltungen, Wechsel, Anwendungen sind alles einzelne Bilder. Sie definieren eine Form mit der Ideen transportiert werden sollen. Diese Ideen wiederum sind Ausdruck von anderen Ideen. Wie bei Michelangelo: Die handwerkliche Technik verleiht einer Idee im Bild Leben, damit diese Idee ein Bild formt, das im Gesamtkunstwerk der Decke zum Ausdruck kommt.

Die CMA sind eine sog. „prinzipienorientierte Kampfkunst“, und Bilder und Ideen sind das didaktische Mittel um diese Prinzipien zu verstehen und anzuwenden.

Ohne einen fachkundigen Führer wird man Michelangelos Meisterwerk in der Sixtinischen Kapelle nicht verstehen. Man braucht jemanden der einem die Anspielungen zeigt, erklärt und auch erklärt wie Michelangelo diese umgesetzt hat, bzw. wie sich das Ganze in den Rest des Vatikans einordnen lässt.

Ohne einen fachkundigen Lehrer in den CMA wird man nicht verstehen wie man zur „Natürlichkeit“ gelangt, denn auch dazu braucht man die Erklärungen. Hier ist es nur eben nicht ein materielles Kunstwerk, sondern das Kunstwerk ist der Kampf. Die Kunst manifestiert sich im Kampf, bzw. dem Kämpfenden. Die Sprache, um diese Kunst zu verstehen, liegt im soziokulturellen Kontext des altertümlichen China: Der Natur, der Kultur (Taoismus, Konfuzianismus) und dem Militär.

Durch das Üben und Verstehen der Prinzipien anhand der Bilder und Ideen wird der Kampf zur Kunst, die sich aber auf alle Bereiche des Menschen auswirkt. Der Mensch selbst wird zum „Kunstwerk“: durch das Verständnis der Natur wird er selbst wieder natürlich.

Wofür trainieren?

In letzter Zeit habe ich mich, angeregt durch mehrere Diskussionen in meinem Umfeld, wieder mehr damit beschäftigt WARUM man eine Kampfkunst trainieren kann und auch WIE diese Entscheidung zu unterschiedlichen TrainingsZIELSETZUNGEN und TrainingsMETHODEN führt. 

Eine grobe Einteilung lässt sich zwischen den KK schon sehr lange feststellen: Mit und Ohne Wettkampf. Immer wieder wird man auf, teils erbittert geführte, Diskussionen bzgl. der Sinnhaftigkeit des Wettkampfes stoßen, wobei ich denke dass es eigentlich keinen Grund für diese „Unvereinbarkeit“ geben sollte.

Alles steht und fällt mit der Zielsetzungen mit der man eine Kampfkunst / einen Kampfsport (ich kürze beides ab jetzt „KK“ ab) ausübt. Das Ziel definiert die Methode!!!

Der fundamentale Unterschied zwischen Wettkampf und „Realität“ besteht, zumindest früher als die KK entstanden, darin dass ich im Wettkampf meinen Gegenüber nicht töten will und nicht fürchten muss getötet zu werden. Schauen wir uns an was dieser Unterschied im Gehirn bewirkt:

In meinem Beitrag über das „Gehirn und die Bilder“ habe ich über „Fight, Flight, Freeze“ geschrieben. Diese „Modi“ haben auch etwas damit zu tun wie unser OFC eine Situation beurteilt. Sehe ich etwas als Herausforderung an bewirkt das einen anderen Aktivierungsgrad als wenn ich etwas als Überforderung oder Hilflosigkeit erlebe. Der entscheidende Unterschied in den aktivierten Hirnarealen besteht also in „Herausforderung, Hilflosigkeit und Überforderung (die letztendlich aus der Hilflosigkeit, für die man keinen Kompensationsmechanismus findet, entsteht)“.

Noch einmal: Herausforderung, Hilflosigkeit und, wenn kein Ausweg aus der Hilflosigkeit, Überforderung, die zu Angst und Panik führt!!!

Schauen wir uns jetzt eine klassische Situation aus dem Wettkampf an (z. B. Klitschko vs. Fury):

Jeder dieser beiden Ausnahmeathleten hat hart trainiert, ist topfit, hat sich intensiv mit seinem Gegner auseinander gesetzt und ist der Meinung den Kampf gewinnen zu können. Beides sind Alpha-Männchen und der Wettkampf dient dazu dem anderen zu zeigen dass man das größere Alpha-Männchen ist. Der Einsatz ist nicht das Leben, sondern ein überschaubarer Teil der Gesundheit und (nicht zu unterschätzen) der soziale Status (Geld, Ansehen etc.). Ein solcher Kampf entsteht nicht plötzlich, sondern beide haben Zeit sich vorzubereiten. Der Raum ist bekannt, die Regeln sind bekannt, der Zeitpunkt ist bekannt.

Beide Kontrahenten gehen also im „Herausforderungsmodus“ in diesen Kampf. Ab da gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder beide sehen den Kampf bis zum Ende als Herausforderung an und meinen gewinnen zu können oder der Eine wird derart von dem Anderen überrascht (z.B. durch einen „Stahljab“) das er zunächst in eine Hilflosigkeit gerät. Wenn er eine Lösung dafür findet / finden kann, dann wird daraus wieder eine Herausforderung. Wenn er keine Lösung findet und die Schmerzen, die Erschöpfung mehr werden, dann springt die Überforderung an und der Kampf ist so gut wie verloren, denn der OFC wird immer mehr die Kontrolle verlieren und man ist den tieferen Hirnarealen „ausgeliefert“ (wenn man das nicht anders trainiert hat, dazu später mehr).

Ein Wettkämpfer wird also immer versuchen im Herausforderungsmodus zu sein, bzw. so schnell wie möglich dort wieder hin zu kommen, denn nur dort bleibt man im planerischen Denken handlungsfähig.

Gucken wir jetzt auf die „Realität“, und da nehme ich jetzt bewusst eine Situation aus dem historischen Kontext der KK:

Ein Karawanenbegleitdienst auf einem einsamen Weg irgendwo in der chinesischen Provinz. Obwohl man den Weg kennt und weiß wo ein Hinterhalt geeignet ist und obwohl man den hiesigen Warlord bestochen hat weiß man nie OB und WANN ein Angriff erfolgen wird. Man weiß genau dass die Leute, die so etwas tun werden, kein Interesse daran haben einen am Leben zu lassen. Ein Leben ist eh nichts wert. Das Gehirn ist permanent in einem Modus der latenten Hilflosigkeit, aber das Training hat es immerhin hinbekommen dass man diese Angst (Hilflosigkeit) in eine Herausforderung umwandeln kann. Man hat gelernt der Angst mit dem Herausforderungsmodus zu begegnen.

Alleine diese Verknüpfung ist ein großer Unterschied zu dem was man im Wettkampf lernt! Die Herausforderung im Wettkampf findet im OFC statt, dort entscheiden wir uns BEWUSST für die Annahme des Kampfes. In der (damaligen) Realität kann man sich nicht FÜR oder GEGEN einen Kampf entscheiden, das entscheiden Andere. Die Verknüpfung im Gehirn unseres Söldners findet also auf der „Emotionsebene“ statt. Er hat Angst, kann ihr aber nicht ausweichen, während der Wettkämpfer ein kalkulierbares Risiko für seine Gesundheit und seinen sozialen Status eingeht und somit nur wenig Angst haben muss (hätte er mehr würde er nicht kämpfen).

Bei dem Söldner geht es also um ALLES, sein komplettes Leben, daraus resultiert seine Angst. Durch sein Training hat er alles getan um der potentiellen Gefahr des Todes entgehen zu können. Er WEISS wie er mit einem Speer, einem Säbel und seinen Fäusten umgehen kann, wie er damit einer LETALEN Bedrohung begegnet und wie er selber damit TÖTEN kann. Dieses Wissen um seine eigene Wehrhaftigkeit im Angesicht des Todes macht aus der Angst vor dem Angriff eine Herausforderung zu ÜBERLEBEN.

Sein Training macht es ihm möglich eine Todesangst in eine Herausforderung zum Überleben umzuwandeln!

Was passiert in der chinesischen Provinz weiter? Der Söldner hat Pech. Die Karawane wird PLÖTZLICH überfallen. Er hat keinen Einfluss auf Ort und Zeit, Regeln gibt es nicht. Im Moment des ÜBERFALLS schießt seine Angst unter die Decke (plötzlich ist der Tiger da, um bei dem Bild aus „Das Gehirn und die Bilder zu bleiben). Durch das Training sieht er diesen Moment als MAXIMALE Herausforderung an. Wenn es gut geht wird er kämpfen und überleben und mit jedem toten, bzw. verletzten Gegner wird dieser Kampf zu einer stärkeren Herausforderung, er wird sicherer das zu Überleben. Enden tut das Ganze dann wenn es keinen Gegner mehr gibt oder er an jemanden gerät der stärker / besser ist und ihn tötet.

Je mehr erfolgreiche Einsätze und Kämpfe unser Söldner hatte, desto sicherer wird aus der Angst eine Herausforderung und keine Überforderung, aber was könnte auch im Moment des Überfalls passieren?

Der Söldner stellt fest dass es eine Übermacht ist oder dass sie besser bewaffnet sind etc. Er verliert den Glauben an sich, die Angst wird größer er rutscht in den Flight-Modus, kann aber nicht fliehen. An Kampf ist nicht mehr zu denken. Mit Glück kann er darauf hoffen durch „Freeze“ gefangen genommen zu werden und zu überleben, mit Pech ist er einfach tot.

Schauen wir also zunächst auf die UNTERSCHIEDE zwischen Wettkampf und „Realität“:

Wettkampf

Ort, Zeit, Regeln bekannt

Einsatz ist der soziale Status

Angst spielt eine untergeordnete Rolle

Risiken kalkulierbar

Unbewaffnet

Ziel ist der Sieg über den Anderen

Unbewaffnetes Training als Ziel

 

„Realität“

Ort, Zeit unbekannt, keine Regeln

Einsatz ist das Leben

Angst spielt eine zentrale Rolle

Risiken unkalkulierbar

Bewaffnet

Ziel ist der Tod des Anderen

Unbewaffnetes Training als Grundlage zum Umgang mit Waffen

 

Jetzt ein Blick auf die GEMEINSAMKEITEN:

– Training des Körpers

– Der Wille zu gewinnen, den Anderen zu dominieren

– Auseinandersetzung mit Gewalt

– Harte Arbeit an sich selbst / Auseinandersetzung mit sich Selbst

– Fertigwerden mit Niederlagen

– Grenzen gezeigt bekommen

– Umgang mit Schmerzen

– Disziplin

– Achten / pflegen des Körpers

– Ein Umfeld das o.g. Punkte teilt

– Selbstachtung

Man sieht dass die Gemeinsamkeiten der Beiden bei weitem überwiegen, daher kann es auch kein „entweder oder“ geben!

Der, für mich, entscheidende Punkt ist jetzt das Ziel des Trainings und da muss jeder ehrlich zu sich selber sein. WARUM will ich persönlich eine Kampfkunst lernen. Was ist mein persönliches Ziel? Was bin ich bereit dafür an Zeit und Aufwand zu investieren?

Die Kampfkünste sind in einer Zeit entstanden als das Training für die „Realität“ überlebensnotwendig war. So ein Training veränderte die Persönlichkeit! Es verändert den Umgang mit Ängsten, mit Gewalt und die Sicht darauf. Es erfordert viel Zeit und Ausdauer.

Heutzutage sind wir nicht mehr den Gefahren der damaligen Zeit ausgesetzt. Leute, die heute KK üben, tun dies nicht um zu überleben! Die Meisten wollen einen (oder mehrere) der oben genannten gemeinsamen Punkte trainieren, es geht nicht ums töten .

Wenn ich mich also nur für die gemeinsamen Punkte interessiere, dann brauche ich den Wettkampf, denn er bringt Motivation, Überprüfung der Fähigkeiten, ein Ziel zum hintrainieren, hält das Team zusammen etc. 

Wenn ich mich jedoch für eine authentische KK der damaligen Zeit interessiere, dann kann der Wettkampf hinderlich sein, solange ich mich nicht sehr, sehr bewusst in dieses Umfeld begebe. Warum? Weil der Wettkampf durch seine Regeln andere Verhaltensweisen und Techniken erlaubt die im Kampf auf Leben und Tod, mit Waffen, nicht möglich sind: 

– Der Gabelgriff im Ellbogen ist im Wettkampf „tödlich“ für den Daumen, in der Realität wäre ein Griff ohne Gabel tödlich für den Übenden, da nur so eine Waffe kontrolliert werden kann

– Ein Underhook, bei dem ich den Nacken bekomme, ist im Wettkampf nicht schlimm, in der Realität wäre man bewaffnet dann tot.

– Ein Schlag gegen die Kinnspitze ist ärgerlich, aber nicht tödlich. Ein Stich unter die Kinnspitze ist tödlich

– Fehlende Kontrolle des Waffenarms in einem „Eingang“ kann den Tod bedeuten, im Wettkampf ist es nicht schlimm, evtl. funktioniert es nicht

Diese Liste ließe sich noch endlos fortsetzen und soll auch nur der Verdeutlichung dienen wo die Unterschiede in bestimmten Techniken liegen.

Im Wettkampf muss man sich über bestimmte Dinge keine Gedanken machen und kann somit ein komplett anderes „Spiel“ entwickeln bzw. bestimmte Dinge komplett anders zum funktionieren bringen. Solange man bewusst unterscheiden kann was man wofür trainiert, solange ist ein Wettkampf nicht schlecht, zumal die Zielsetzung eben nicht ist in einem Kampf auf Leben und Tod zu überleben oder eine bewaffnete Auseinandersetzung zu führen!

Auseinandersetzungen finden heutzutage für die allermeisten Menschen unbewaffnet statt und sind eher „Schlägereien“. Für diese Szenarien ist man mit dem Training für den Wettkampf sehr gut vorbereitet, denn oft ist dies auch eine gewalttätige Situation in der es um sozialen Status und Anerkennung geht. Es sind Alpha-Männchen-Spiele, bei denen ich nur vorher den Ort und die Zeit nicht kenne.

Die Aktivierung im Gehirn bleibt dabei die „normale“ aus dem OFC heraus und berücksichtigt nicht das was Rory Miller als „predatory violence“ bezeichnet: Die überfallartige Gewalt mit der Zielsetzung den Anderen zu töten, verletzen, entführen, vergewaltigen etc..

Alte KK kannten nur diese Art der Gewalt und wurden dafür entwickelt.

Aus den unbewaffneten Trainingsmethoden für diese Art der Gewalt entwickelte sich der sportliche Vergleich und dort wurden die Bewegungen und Techniken den jeweiligen Regeln und Gegebenheiten angepasst und entwickelten sich dort weiter. DAS ist die Wurzel und wichtigste Gemeinsamkeit, denn ein gutes Wettkampftraining befähigt den Menschen u.U. auch unter „predatory violence“ in den „Herausforderungsmodus“ zu gehen, da sein Körper und Geist trainiert sind mit Gewalt umzugehen und sie auszuüben!!! 

Einen Lehrer und eine Schule zu finden die WIRKLICH noch eine alte KK lehren und wissen wie man die Leute psychisch auf einen solchen Kampf vorbereitet ist extrem schwierig. Der Umgang mit Waffen ist dafür wichtig, der Umgang mit der Vorstellungskraft ist essentiell und man muss die Anwendungen mit und ohne Waffen kennen und können um es zu trainieren, vor allem im freien Modus! 

Der „Preis“ den eine alte KK fordert, wenn man sie wirklich ernsthaft lernen will, ist die Veränderung der Persönlichkeit, denn die Trainingsmethoden haben genau das als Ziel. Es geht immer um Gewalt, Tod und Angst, aber wo diese drei sind ist auch immer ihr Gegenpol: Liebe, Leben und Freude… 

Mir persönlich ist es wichtig darauf hinzuweisen dass Wettkampf und „alte“ KK mehr gemeinsam haben als man denken mag und die Unterschiede eher gering sind! Bei allem Pro und Kontra darf man nie vergessen dass man immer die richtige Methode für das eigene Ziel haben muss. Dafür muss man zuerst das eigene Ziel kennen und dann die richtige Methode lernen. Wenn ich ein guter Wettkämpfer werden will brauche ich einen guten Trainer und ein gutes Team. Wenn ich einen gesunden Körper will, dann brauche ich einen Trainer der Ahnung von funktionalem Training hat.

Wenn ich eine „alte KK“ lernen will, dann brauche ich, vor allem in der heutigen Zeit, eine ungebrochene, authentische, Linie.

Formen und Kata

Ich schreib jetzt einfach einmal meine Gedanken zum jetzigen Zeitpunkt zu der ganzen „Formensache“ bzw. Kata auf. Das ist meine ganz persönliche Meinung zum jetzigen Zeitpunkt und mag in ein paar Jahren wieder ganz anders aussehen…

Ich denke ein fundamentaler Teil in den KK liegt in der Art und Weise wie gelehrt wird. Auf der einen Seite gibt es das stupide Kopieren von Bewegungen und Einschleifen durch stumpfe Repetition. Das ist die absolute Grundschule, die Basis auf der alles spätere aufbauen kann. Man lernt eine Bewegung und eine Anwendung zu dieser Bewegung (Schlag, Wurf, Schnitt, Stoß etc.) und wiederholt sie so lange alleine und am Partner bis man sie im Schlaf kann. Das ist die Essenz einer jeden militärischen Grundausbildung, denn neben den Bewegungen lernt man Disziplin und bekommt Kondition/Kraft.
Je nachdem in welcher Form und Reihenfolge man diese Bewegungen alleine übt bekommt man halt unterschiedliche „Formen“ (Auf einer Linie, mit Drehungen etc.). Das war es was man im Militär beigebracht bekommen hat. Diese Stufe kann man getrost mit der „Grundschule und Gymnasium“ vergleichen. Man hat „Frontalunterricht“ und lernt auswendig.

Als nächstes kommt das Erkennen von Gesetzmäßigkeiten in den Bewegungen. Das kann man jetzt „Kräfte“ nennen, oder „Energie“, oder was auch immer. Man muss die zu Grunde liegenden Prinzipien lernen und STUDIEREN und hier kommt jetzt der entscheidende Schritt: Man muss aufhören Wissen zu konsumieren sondern selber „Forschen“. Der Lehrer zeigt einem die grundlegenden Regeln und gibt einem die Übungen um diese zu verstehen, ab da muss man selber ausprobieren wie man sie anwendet und seine Ergebnisse vom Lehrer überprüfen lassen.
Hat man etwas für sich entdeckt überprüft man es in den Bewegungen und Anwendungen der „Grundschule“ und bringt diese so immer auf ein höheres Level. Die ursprüngliche Anwendung/Bewegung bleibt (äußerlich) gleich, das Verständnis und die (innere) Komplexität nimmt jedoch extrem zu.

Bagua, Yiquan etc. sind alles Kampfkünste die von Leuten zusammengestellt wurden, die die „militärische“ Grundschule der Bewegungen schon lange durchlaufen hatten. Sie setzen direkt an dem Lernen der Konzepte an. Es sind alles KK die man „studieren“ muss und das ist ein ganz anderes didaktisches Konzept. Nicht ohne Grund sah man sie früher auch erst als KK für „Fortgeschrittene“ an. Sicher kann ein guter Lehrer sie auch anders unterrichten und mit „stupider“ Grundschule anfangen, ursprünglich sind es aber Lehrmethoden von sehr fortgeschrittenen Leuten, die darin die Essenz ihres Wissens komprimiert haben.

Wenn wir also auf „Kampfkünste“ gucken, dann müssen wir immer überlegen was wir da gerade sehen. Sehen wir eine KK die hauptsächlich die „Basics“ unterrichtet, also das, was früher auf dem Kasernenhof gelehrt wurde? Sehen wir nur die „leere“ Kopie einer Form, die auf Show und Spektakel getrimmt wurde um auf den Marktplätzen und Opern gut auszusehen (was nichts mit dem eigentlichen Können der Vorführenden zu tun gehabt haben muss). Sehen wir die „sportliche Wettkampfversion“ alter Trainingsmethoden, die an andere Umstände angepasst wurde? Sehen wir eine „gesundheitsspezifische“ Übung alter Konzeptübungen, die die kämpferische Seite dieser Übung komplett verloren hat? Sehen wir eine (äußerlich) gleiche Form dieser Übungen jedoch mit kämpferischen Inhalt?

Letztendlich geht es immer um die Frage der Art des Lernens. Will ich konsumieren und kopieren, oder will ich studieren? Bevor ich studieren kann muss ich mir erst einmal meine „Hochschulreife“ holen und dafür ist „bitter essen“ nun einmal nötig. Gewisse Dinge müssen erst einmal gelernt werden ehe ich anfangen kann selber zu „forschen“. An dieser Stelle können „Formen“ und „Anwendungen“ helfen, sie sind aber nicht die eigentlich Essenz.

Problematisch wird es immer dann, wenn man die Zielsetzung aus den Augen verliert. Ich muss eine „Vorführform“ nicht lernen und kopieren wenn ich eigentlich kämpfen lernen will. Dann brauche ich die „Drillform“ und die Anwendungen dazu. Ich brauche keine „Konzeptübung“ wenn ich nicht weiß was die Konzepte sind, die ich eigentlich dort üben/erforschen will. An dieser Stelle kommt dann „Yi“ ins Spiel, denn das ist essentieller Bestandteil der Erforschung dieser Konzept. Ohne die richtige Nutzung von „Yi“ ist „Kreis gehen“ einfach mit einer bestimmten Handhaltung im Kreis gehen und bestimmte Bewegungen ausführen. Ohne das ist ZZ einfach „in der Gegend rumstehen“ und eine Position „halten“.

Für mich ist dieses „Erforschen“ der Kraft mittlerweile eine der berauschendsten Erfahrungen die ich jemals in den KK gemacht habe und ich könnte das stundenlang machen, egal ob im Stehen, auf einer Linie oder im Kreis. Mein Lehrer sagt immer „the mind has no limit“, ganz allmählich bekomme ich eine Idee davon was er meint und um das zu erforschen habe ich noch den Rest meines Lebens…