Das Schärfegleichnis – von John Flais

Ich wurde kürzlich in eine online-Diskussion verwickelt, die davon ausging, dass wieder mal ein Taijiquan-Lehrer (um das Wort «Meister» zu umgehen) von einem Vollkontaktler (Sanda) öffentlich verprügelt worden war. Konkret ging ersterer dreimal nach einem einseitigen Schlagabtausch von je maximal zehn Sekunden auf die Bretter, wobei er beim dritten Mal selbst steif wie ein Brett liegenblieb. Dass der gute Mann schon 69 war und sein Gegner anscheinend 50 (obwohl der auf dem körnigen Video eher aussah wie 30) machte die Sache nicht wirklich besser. 

Die Diskussion ging dann etwas hin und her, Anhänger der TCMA äusserten sich negativ über die Fähigkeiten des TJQ-Vertreters, es wurde diskutiert, was die TCMA denn seien oder nicht sein, mit allen möglichen und unmöglichen Vergleichen quer durch die Geschichte und alle Kontinente (ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage). Schliesslich wurde die Diskussion zurück zum Ausgangspunkt gelenkt, nämlich der generellen Vergleichbarkeit in einem kontrollierten Setting, beispielsweise einem Vergleichssparring im Vollkontakt.

Meiner Erfahrung nach gibt in diesem Fall drei mögliche Szenarien:

A: Der Sparringsneuling wird übel zusammengefaltet, kehrt wütend der Matte den Rücken (üblicherweise mit den Worten «Aber in einem echten Kampf hätte ich…!») und ward nie mehr gesehen

B: Der Sparringsneuling wird übel zusammengefaltet und erwägt einen Vereinswechsel («Die haben mir all die Jahre was erzählt da!»)

C: Das Sparring verläuft mehr oder weniger ausgeglichen und man trennt sich mit den Worten «Vielen Dank, war spannend, gerne mal wieder.» 

Ich gebe zu, dass ich über die Jahre für diverse «A»s und «B»s verantwortlich war. Um ehrlich zu sein habe ich «C» vor allem dann erlebt, wenn Vollkontaktler in andere Vollkontaktsportarten reingeschaut haben, aber wie immer gibt es auch Ausnahmen. Wir sollten uns auch vor Augen halten, dass sich unser Besucher auf ein neues Spielfeld begibt, wo er unter den dort herrschenden Regeln «spielen» muss. Unter umgekehrten Voraussetzungen könnte auch der umgekehrte Fall eintreten. Ich wurde dann gefragt, wie man es in einer traditionellen Kampfkunst anstellen könnte, dass «C» häufiger vorkäme, wie man also die Vollkontaktkomponente stärken könne.

Meine Antwort hat allerdings ziemlich schnell Essaycharakter entwickelt und wurde darüber hinaus noch mit Gleichnissen aus dem Kontext des Messerschleifens gespickt, was den Rahmen der Diskussion völlig gesprengt, aber die Grundlage für diesen Beitrag geliefert hat. Er bezieht sich nicht direkt auf die TCMA und möchte die Frage, was TCMA sind und sein sollen weitestgehend ausklammern. Es geht vielmehr um die Frage, wie denn generell in Kampfsystemen gewisse Qualitäten ausgebildet werden und was denn erforderlich ist, um aus einem System ohne hohen Vollkontaktanteil in ein Vollkontaktsystem hineinschauen zu können und einigermassen unbeschadet, dafür mit neuen Erkenntnissen wieder rauszukommen. Erforderlich sind für Letzteres aus meiner Sicht generell drei Dinge: physische Vorbereitung, Einstellung und Verständnis.

Die physische Vorbereitung ist am einfachsten. Als allererstes sollte man fallen können, ohne sich gleich die Gräten zu brechen – ich weigere mich inzwischen standhaft, mit jemandem bzw. jemanden zu trainieren, der nicht vorab die Fähigkeit zu fallen (im Rahmen des geplanten Vergleichssettings) demonstriert. Wenn beim Vergleich zudem Schläge erlaubt sind, sollte man zudem vorab mit Schutzausrüstung und Partner geübt haben, um ein Distanzgefühl zu entwickeln und ein paar Treffer einstecken zu können. Für Waffen gilt naturgemäss das Gleiche, mit Betonung auf Schutzausrüstung und angemessene Simulatoren.

Das deckt die grundlegende physische Vorbereitung auch schon ab, wobei wir hier von einem Basislevel sprechen, nicht von etwas, was dem Äquivalent eines Meistergrades gerecht würde. Natürlich ist es auch ein Vorteil, fitter zu sein (wie ich in meinen Ligazeiten gesagt habe: Ich mag meine Kämpfe so kurz und einseitig wie möglich!), aber für einen reinen Einblick in ein anderes System und zu wissen, wo man steht ist das nicht zwingend erforderlich – auch wenn «ich sollte wirklich mehr an meiner Ausdauer arbeiten» ein nicht unübliches Statement nach solchen Vergleichen ist («Ich war einfach viel zu gut in Form» habe ich dagegen noch nie gehört). Mit ein Grund ist hier meiner Erfahrung nach, dass Sparringsanfänger häufig verkrampfen, und in dem Fall brennt jeder schnell mal aus, aber das ist wieder ein etwas anderes Thema.

Preisfrage – wann muss die Kalligraphie des Meisters entstanden sein, damit ich sie grüssen darf?

Die Einstellung, die für einen systemübergreifenden Austausch förderlich ist, ist sowas wie «Wir machen unser Ding, aber was die anderen machen kann auch spannend sein und in bestimmten Kontexten funktionieren». Man vergleiche das mit den – hier intentionell überspitzten – Klischees von «Grossmeister XY war ja SO ein toller Hecht. Er war der AB-SO-LUTE Obermacker in seiner Stadt, die damals die allerübelste Absteige des Wilden Ostens war. Er hat Anno Schnee basierend auf seinen 2943 allesamt gewonnenen ECHTEN STRASSENKÄMPFEN die BESTEN TECHNIKEN zusammengestellt, die AUF EWIG Gültigkeit haben, auch wenn die Schwerkraft plötzlich wegfallen sollte (ja, SO GUT war Grossmeister XY!). Wir machen das hier in der Tradition von Grossmeister XY. Lasst uns seine Kalligraphie grüssen.» Das soll jetzt keine Kritik an traditionellen Kampfkünsten (oder dem, was heute als solche verkauft wird) sein, aber ich finde, man sollte Tradition und Analyse auch gelegentlich trennen können, und vor allem nicht die intrinsische Überlegenheit des eigenen Stils basierend auf dessen mehr oder weniger verlässlichen Geschichte postulieren, nur weil einem das laufend eingetrichtert wurde. Ich weiss, das liegt häufig im Interesse des Anbieters, aber eben nicht zwingend im Interesse des Anwenders, der vermutlich nicht unter Realbedingungen lernen möchte, dass die «ultimative Technik» so ultimativ nicht ist. Technik ist schön und gut, aber sie muss auch für den Anwender funktionieren – und dafür eben auch mal mehr oder weniger adaptiert werden. Ich glaube, einer der Gründe, warum Vollkontaktler an Vergleichen so viel Spass haben ist, dass das für sie im Rahmen ihres Kontextes ganz normal ist – bei jedem Sparring vergleicht man sich mit anderen, und bei jedem Lehrgang oder Wettkampf vergleichen sich Schulen. Je grösser der Sport, desto grösser die möglichen Vergleichsebenen. Und wer nur immer stur «sein Ding» macht, wird halt nicht über Punkt X hinauskommen, was in vielen Fällen eben bedeutet: schnell mal stagnieren. Allerdings wird er das vielleicht nie wissen, wenn er nie über den Tellerrand schaut.

Es geht nicht um «Kraft gegen Technik» – Technik ist die korrekte und zeitkritische Anwendung von Kräften und Impulsen. Ungeachtet dessen, wer grad die dickeren Oberarme hat. Im Bild: Adam Saitiev und Yoel Romero, Finale 84 kg Freistil bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000.

Das Nächste ist ein realistisches Verständnis von Kraft und Technik. Anstatt Kraft als negativ abzutun und ewig «Technik schlägt Kraft» zu beten (ich höre das sogar von BJJlern andauernd, leider in aus meiner Sicht meistens völlig falschen Kontexten) würde ich das alte Dogma umformulieren und sagen, dass es im physischen Teil einer Auseinandersetzung primär um Kräfte geht. Kräfte werden im Kampfsport primär generiert durch Gewichtsverlagerung (!) und sekundär verstärkt durch Muskelkontraktionen, sowohl die eigenen als auch die des Gegners, die man nutzen kann (sofern man sie denn voraussagen und/oder gezielt provozieren kann). Sie werden verstärkt durch die generierte Geschwindigkeit, Hebel- und Keilwirkung (= Technik, Waffen) sowie gezielte Anwendung (= kampfrelevante Anatomiekenntnisse) und koordiniert durch gezielte Bewegungsabfolgen (= Technik bzw. Technikketten). Die Fähigkeit, Kräfte zu generieren, ist elementar und wertvoll und muss von jedem Kampfsportler im Rahmen seines Trainings unablässig trainiert und nach Möglichkeit optimiert werden. Ebenso wie Technik der limitierende Faktor bei der praktischen Anwendung von Kräften sein kann, sind Kräfte und praktische Anatomiekenntnisse die limitierenden Faktoren bei der Anwendung von Technik. Mehr Kraft generieren zu können – durch Gewicht, die Fähigkeit zur schnellen Gewichtsverlagerung und/oder durch Muskelkraft – ist erstmal ein Vorteil, jedoch darf ich dabei die anderen Aspekte nicht völlig aus den Augen verlieren. Dennoch sind Kräfte etwas, mit denen man zwingend umgehen können muss, und ganz ohne einschlägige Erfahrung ist das nun mal schwierig.

Klingengrundform, Anschliff und Klingengeometrie bedingen die Vielseitigkeit oder Spezialisierung eines Schneidwerkzeugs. Sowohl Vielseitigkeit als auch hohe Spezialisierung haben immer einen Preis. Im Laufe der Zeit haben sich sehr viele hochspezialisierte Formen herausgebildet, die man alle zweckentfremden kann, aber eben nur begrenzt.

Zur Technik würde ich noch einbläuen, dass eine Technik der anderen nicht primär überlegen ist, sondern immer ein Ansatz für einen bestimmten Kontext. Dieser Ansatz eignet sich nicht für alle denkbaren Kontexte gleich gut und muss unablässig geschliffen werden, und dazu gehören Tests nun mal dazu. Wer Erfahrung im Schleifen von Schneidwerkzeugen hat, weiss wovon ich spreche: Erst, wenn ich auf die Erfahrungen unzähliger «Schärfetests» zurückgreifen kann – primär meine eigenen, in zweiter Linie die meines Trainers und in dritter Linie auf die von dessen Trainern – kann ich vielleicht beurteilen, wie und wann ich die richtige Schärfe erreicht habe. Aber auch dann werde ich vermutlich gelegentlich testen müssen oder wollen, um sicherzugehen, dass ich «es nicht verlernt habe». Man sollte auch beachten, dass nicht jede «Schärfe» – das Resultat aus Stahl, Härte, Klingengeometrie, Schleifwinkel, Körnung des Schleifmediums und Qualität sowie Dauer des Schleifvorgangs – sich für jede Anwendung gleich eignet und Kenntnisse in einer Schärftechnik sich nicht zwingend auf andere Schärftechniken übertragen lassen. Meine Schleiftechnik kann noch so gut und konsistent sein, und egal, ob ich die Klinge Schneide oder Rücken voraus über das Schärfmedium führe oder das Schärfmedium über die Klinge: Schleife ich für die falsche Anwendung, kann es sein, dass ich umgehend Ausbrüche in der Klinge habe, der Apex (Grat) rollt, die Klinge während dem ersten Schnitt stumpf wird oder gar nicht erst schneidet. Wähle ich ein suboptimales Ausgangsmaterial (Stahlsorte für ein bestimmtes Anwendungsgebiet) und lasse dem die falsche Behandlung zu Teil werden (Klingengeometrie, Härtung), wird mein Ergebnis auch nicht optimal sein, und wenn ich das falsche Schleifmedium für meinen Zweck wähle und diese am Ende auch noch falsch behandle (z.B. japanischer Wasserstein ultrafein mit 10.000er Körnung, um einen Grobschliff mit hohem Materialabtrag an einem Stahl mit hohem Karbidvolumen und 67 HRC anzubringen, am Ende noch ohne den Stein vorher zu wässern) werde ich auch keine Freude haben. Vielmehr muss ich die Abfolge meiner Schleifmedien richtig wählen – von grob zu fein, vom primären Anschliff zur Schneidenpolitur. Der frühe Einsatz eines zu feinen Schleifmittels hat in der Praxis allenfalls den Sinn, herauszufinden, mit welchem Stahl ich es zu tun habe – Schärfe erreiche ich damit noch nicht. Man kann die Schleiferei auch übertreiben: wer zu viel und vor allem zu schnell schleift, kann den Stahl überhitzen und die Härte ruinieren. Auch sonst führt übermässiges und zielloses Schleifen zu Materialverschleiss, schneller als ein sachgemässer Gebrauch eines Schneidwerkzeugs (= schneiden).

Abnutzung von Klingen durch Gebrauch und Abziehen, bis ein Nachschleifen mit grösserem Materialabtrag erforderlich wird. Anstatt die ursprüngliche Geometrie wiederherzustellen, kann diese auch entsprechend dem Anwendungsspektrum adaptiert werden.

Genau das passiert m.E. aber sehr häufig in den Kampfkünsten – die einzelnen Komponenten wollen oft einfach nicht so recht zueinander und zum propagierten Anwendungsgebiet passen. Da ändert es auch nicht wirklich was dran, wenn der 10.000er Stein seit Urgrossvaters Zeiten für alle Arbeitsschritte und Schneidentypen verwendet wird – für manche Dinge sind die Alternativen eben erwiesenermassen besser, und in Zeiten der freien Informationsbeschaffung wird es immer schwerer, das zu leugnen.

Oben: Klinge mit spiegelpolierter Sekundärphase. Sieht super aus und ist sauscharf, allerdings auch mega-empfindlich, schnell hinüber und man sollte dafür perfektes Equipment und Freude am Schleifen haben… Unten: «bissiger» Schliff im Makro. Sieht furchtbar aus, ist nicht ganz so scharf, aber viel unempfindlicher und im Schneidverhalten aggressiver – fast wie eine Mikrosäge. Beide funktionieren gut für manche Anwendungen, mässig für andere. Der Mittelweg funktioniert ok für beide Richtungen, aber eben auch «nur» ok. 

Der Stahl in dem Gleichnis ist natürlich der Schüler. Es gibt ganz unterschiedliche Stähle, die sich für unterschiedliche Anwendungen von Haus aus unterschiedlich gut eignen. Einige davon bringen jedoch von Haus aus bestimmte Eigenschaften nicht mit, die für die Ausbildung einer scharfen Schneide erforderlich sind: entweder sie enthalten zu viel Kohlenstoff, sind spröde und neigen dazu, unter spontanem Druck zu brechen. Oder sie enthalten zu wenig Kohlenstoff und verbiegen sich, wenn man versucht sie zu härten. In beiden Fällen gibt es Wege, um dies zu ändern, aber beide sind aufwändig, kosten Mühe und Zeit und brauchen einen guten Schmied. Ein zu kohlenstoffreiches Material (z.B. Gusseisen) kann ich homogenisieren, indem ich es schmiede, und einen ursprünglich kohlenstoffarmen Stahl kann ich dennoch härten, indem ich ihn aufkohle oder nitriere, also Elemente in den Stahl einarbeite, die eine Härteannahme ermöglichen. Manche Stähle haben auch Schichten (Schweissverbundstoffe, auch «Damast») – nicht inhärent besser als ein Monostahl, je nach Zusammensetzung sogar gelegentlich höchst problematisch, aber definitiv spannend zu bearbeiten, wenn man nicht weiss, was als nächstes kommt. Es ist auch nicht so, dass jeder Schmied den gleichen Stahl bevorzugt – manche können mit einer grossen Bandbreite arbeiten, andere bevorzugen Stahl mit bestimmten Struktureigenschaften oder besonders gut formbare Stahlsorten. Härte und Klingengeometrie sind das, was sich der Schüler in der Schule aneignet (basierend auf seinen mitgebrachten «Materialeigenschaften»), Schleifmedien und Schleifwinkel die Trainingsmittel, die eine Schule empfiehlt bzw. zur Verfügung stellt, wobei bestimmte Formen und Anwendungen besser mit bestimmten Stahlsorten und Härtegraden harmonieren. Und Qualität und Dauer des Schärfvorgangs sind das, was der Schüler selbst an Zeit, Aufmerksamkeit und Mühe investiert.

Oben: Schemazeichnung zur Bedeutung von einzelnen Aspekten der physischen Vorbereitung im Ringen (aus: Czech/Hartmann/Jürgens, Klassischer Ringkampf. Lehrbuch für Fortgeschrittene. Ost-Berlin 1976, S. 18 Schema 4). Man beachte, dass eine schlechtere spezielle Grundlagenausdauer durch eine bessere Toleranzkapazität kompensiert werden kann – ebenso wie eine stumpfere primäre Schneidphase durch eine höhere sekundäre Schneidphase.
Unten: Bedeutung von Wetzstahl und Abziehleder zum (Wieder-) Aufrichten des Schneidgrates.
Es geht immer um die Optimierung der «Spitze», aber dennoch darf die «Basis» nicht vernachlässigt werden.

Vollkontaktsparring und Wettkampf sind dabei gleichzeitig «Schärfmittel» und Schärfetest, verbunden mit einem allgemeinen Belastungstest. Sie sind keineswegs die einzigen Schärfmittel, sondern eher sowas wie der Wetzstahl (steel sharpens steel!) und das Abziehleder, also das, was «den letzten Schliff» gibt. Die grundlegenden Voraussetzungen werden schon im Vorfeld geschaffen, aber ohne die feine Körnung und das Abziehleder kommt man eben für bestimmte Anwendungen nicht auf die gewünschte Schärfe. Möchte ich einen sehr «bissigen» Grobschliff («gezahnter» Schliff oder gar Wellenschliff) haben, kann es durchaus sein, dass der Wetzstahl nur für ein paar Züge am Schluss eines Anschliffs gebraucht wird und das Abziehleder gar nicht (auch weil die Schneide ins Abziehleder beissen kann, und das gibt nur Scherereien, aber keine scharfe Schere). Wenn ich aber vorsichtig bin und weiss, was ich mache, kann ich eine bereits scharfe Schneide allein mit dem feinen Stein und dem Abziehleder (Häufigkeit entsprechend dem Anwendungsgebiet) bei gleichzeitiger Verwendung praktisch unbegrenzt scharf halten, wobei sich die Klingengeometrie nach und nach ändern oder ich durch die Anwendung oder auch durch falschen (auch übermässigen) Gebrauch des Schleifmediums einen grösseren Schneidenschaden bekommen kann. Dann muss ich ggf. von vorne anfangen mit dem Schärfen und schlimmstenfalls den Schärfwinkel oder sogar die Klingengeometrie adaptieren. Wenn ich die Klinge nicht anwende, sollte ich sie sorgsam in ein passendes Material einwickeln – um sicherzugehen, dass weder die Klinge noch die Umhüllung Schaden nehmen – und hin und wieder hervorholen ölen (oder, wie der Hagakure sagt: mir «damit die Augenbrauen stutzen», was sowohl dem Erhalt der äusseren Erscheinung als auch dem Schärfetest dienen soll). Korrekt eingepackt kann eine Klinge eine überraschende Schärfe bewahren – Veteranenweltmeister werden häufig Leute, die zwar in ihrer Jugend gut, aber keineswegs zwingend Weltklasse waren – die es aber gut erhalten und mit genug «Biss» in den Ruhestand geschafft haben.

Korrekt gestutzte Augenbrauen – check.

Ich denke, so ähnlich verhält es sich auch im Kampfsport. Ein Klingenrohling ist zunächst «blank» und kann für verschiedene Anwendungen optimiert werden, auch wenn bestimmte Tendenzen vielleicht schon erkennbar sind, weist er doch eine bestimmte Grobform und Materialzusammensetzung auf. Jedoch ist es nicht so, dass der erste Anschliff bereits entscheidend für die letztendliche Funktion der Klinge sein muss. Vielmehr kann diese im Laufe der Zeit und durch diverse Umstände ihr Anwendungsgebiet wechseln, und wenn sie nicht verlässlich geölt wird oder von Haus aus durch Zugabe von mehr oder weniger schwarzer Magie (Beigabe von Chrom, Stickstoff, Kobalt… und/oder Kohlenstoffreduktion) «rostträge» oder gar «rostfrei» gemacht worden ist, auch schon mal einrosten – aber auch wieder entrostet werden, wenn auch mit Materialverlust (insbesondere an der Schneide, wo das Material am dünnsten ist). Eine Anwendungsänderung braucht immer Zeit, Arbeit und oft genug auch einen fähigen Schmied. Aber so oder so –egal, ob ich eine Klinge schärfen oder eine Schneide scharf halten will, ich muss schleifen, schleifen, schleifen… und hin und wieder überprüfen was ich da eigentlich tue.

Vom leicht angerosteten Klingenrohling zur ausgeschliffenen Klinge, an der die Damaszierung sichtbar wird. Hier wunderbare Beispiele von Messermacher Egbert Stolpe.

Über den Gastautor

Hinter dem Pseudonym «John Flais» verbirgt sich ein ehemaliger Bundesligaringer, der sich bedingt durch diverse «Schneidenausbrüche» inzwischen weitestgehend im vorzeitigen leistungssportlichen Ruhestand befindet. Er erwägt derzeit eine «Änderung der Klingengeometrie» und hat daher gerade mehr Zeit zum Nachdenken und Schreiben. Er befasst sich mit Übertragbarkeiten von Techniken, Taktiken und Trainingsmethoden in diversen ringenden Kampfdisziplinen (mit und ohne Waffen) quer durch die Zeiten und schleift begeistert Klingen aller Art, vom Taschenmesser bis zum Talwar. Erreichen kann man ihn über www.kampfkunst-board.info (Benutzername period).

Über Straßen, Netze und Bewegung

In dem ersten Artikel über „Das Gehirn und die Bilder“ sind wir ja auf die Bedeutung der inneren Bilder und die Vernetzung des Gehirns eingegangen.

In diesem Artikel soll jetzt die Brücke geschlagen werden zu der Verbindung zwischen körperlicher Übung, unserem „Denken“ und den verschiedenen, daran beteiligten, Gebieten unseres Gehirns.

Wenn wir über „das Gehirn“ reden muss uns klar sein dass zwar der grobe Aufbau des Gehirns bei jedem Menschen gleich ist, aber jeder von uns sein individuelles „Streckennetz“ hat. Jeder ist eine einzigartige Persönlichkeit mit einzigartigen Erfahrungen, Fähigkeiten, Problemen und Schwachstellen.

Um das zu verdeutlichen kann man sich das menschliche Gehirn einmal als den europäischen Kontinent vorstellen. Die Hirnregionen sind die Städte, Dörfer und landschaftlichen Besonderheiten. Was jetzt unsere „Persönlichkeit“ ausmacht ist das individuell unterschiedlich ausgebaute Straßennetz. Manche Orte sind bei dem Einen mit Autobahnen verbunden, bei dem Anderen nur mit Trampelfaden.

Dazu kommt das individuelle Erfahrungen und „Gewohnheiten“ dazu geführt haben das bei einigen Menschen bestimmte Verbindungen blockiert sind, z.B. durch Traumata (wobei darunter nach meiner Definition jede erfahrene Hilflosigkeit fällt), oder Krankheit.

Wenn wir über „die Motorik“ reden muss man bei dem Menschen zwischen zwei verschiedenen Arten der Motorik unterscheiden. Stark vereinfacht ist dies die sogenannte „willkürliche Motorik“ und die sogenannte „unwillkürliche Motorik“.

Erstere ist die Art der Bewegung, die unser Verstand initiiert, z.B. um eine Tasse Kaffee zu greifen oder diese Buchstaben auf der Tastatur zu tippen. Letztere dient u.a. der Körperstabilisierung.

Immer wenn ich eine Bewegung willentlich ausführe „sagt“ mein Verstand einer Region weiter „hinten“ in der Großhirnrinde welches Bewegungsprogramm sie jetzt bitte abrufen solle. Als nächstes „bespricht“ diese Region dann diesen Wunsch mit einer Abteilung unterhalb der Großhirnrinde, den Basalganglien.

Dieser Teil des Gehirns stellt eine sehr wichtige Schaltstelle zwischen „unserem Verstand“ und dem Rest des Gehirns dar, denn er ist mit vielen Gehirnteilen verbunden und in viele Gehirnprozesse eingebunden.

Er ist ein wichtiger Teil des „emotionalen Systems“ (und ist somit auch eingebunden in das Erleben und verarbeiten von Emotionen und dem Lernen) und hat Verbindungen zum Hirnstamm wo überlebensnotwendige Körperfunktionen gesteuert werden.

Haben die Basalganglien jetzt den Wunsch des Verstandes empfangen und mit der emotionalen Abteilung besprochen/abgeglichen, werden noch Details mit dem Hirnstamm (und darüber mit dem Kleinhirn, dazu aber später mehr) abgeglichen und dann wird das Ergebnis dieser „Konferenz der Instinkte“ an den Verstand zurückgemeldet. Vorher muss dieses Ergebnis aber noch in einer weiteren Konferenz modifiziert werden. Dem Thalamus.

Dort sitzen die Führungsgremien verschiedener Abteilungen des Körpers, wie z.B. des Gedächtnisses, der Körpereigenwahrnehmung, des Hörens, des Sehens, und der unwillkürlichen Motorik.

Diese Führungsabteilung bespricht dann das Anliegen weiter, passt es an und sendet dann das Ergebnis in Kopie an den Verstand und gibt die Befehle an die ausführenden Organe der Großhirnrinde wo die entsprechenden Muskelbefehle dann erteilt werden.

Das Kommandozentrum unserer unwillkürlichen Motorik, die ja u. a. dazu dient dass wir nicht umfallen und unsere Körperspannung halten, liegt im Kleinhirn. Diese Hirnregion befindet sich „hinten“ unterhalb unseres Großhirns und sieht aus wie zwei, an den Hirnstamm geklebte, Walnüsse. Es macht nur ein Zehntel des Gewichts unseres Gehirns aus, beinhaltet aber 4/5 aller Hirnzellen. Alleine an dieser Verteilung kann man sehen wie wichtig dieses Gehirnareal auch für uns Menschen ist.

Im Kleinhirn laufen alle Informationen des Bewegungsapparates zusammen. Dort kommen die Informationen über den Spannungszustand der Muskeln und Sehnen an, die Informationen über die Stellung der Gelenke und Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan des Kopfes.

Gleichzeitig werden die Muskelbefehle der Großhirnrinde in Kopie dort in Echtzeit registriert und verschieden Informationen aus dem Hirnstamm verarbeitet.

Dieses Kommandozentrum hat Mitteilungskanäle zum Thalamus wo seine Informationen an das Großhirn weitergeleitet werden und wo mit Hilfe dieser Informationen willentliche motorische Befehle ausgearbeitet werden. Es hat jedoch auch Kanäle zum Hirnstamm, und damit direkt zur Muskulatur, um schnell und instinktiv auf Situationen reagieren zu können indem es den Körper reflexartig bewegt, oder unbewusst „austariert“.

Wie wir gesehen haben ist der Hirnstamm ebenfalls in alle Prozesse involviert. Das ist auch absolut logisch, denn er ist der älteste und wichtigste Teil unseres Gehirns. Hier werden Dinge wie unsere Atmung und der Herzschlag reguliert, hier laufen alle Informationen über unseren Körperzustand zusammen, hier tauscht sich das Kleinhirn mit den Augen, den Ohren und dem Gleichgewichtssinn aus, hier wird die Atem- und Schluckmuskulatur gesteuert und unsere Augenmuskeln koordiniert. Hier wird unser emotionales Erleben mit all den o. g. Funktionen abgestimmt.

Der Hirnstamm kann seine gewichtige Meinung über verschiedene Kanäle dem Verstand mitteilen. Er sitzt in der Führungsebene des Thalamus, beeinflusst die Schaltstelle der Basalganglien und hat einen ständigen Sitz in der Kommandozentrale des Kleinhirns. Seine Befehle gehen direkt an die Muskeln und Eingeweide und seine Meinung ist für den Verstand bindend.

Wenn der Hirnstamm der Meinung ist dass der Verstand eine Situation nicht schnell genug lösen kann, dann übernimmt er selber die Kontrolle und setzt den Verstand auf die „Auswechselbank“. Er ist das Instinktzentrum von dem ich in dem Artikel über das Gehirn und die Bilder gesprochen habe, als es um den Tiger und „Fight, Flight, Freeze“ ging. Er ist es auch der die Wachheit und Aufmerksamkeit steuert.

Wir haben also unseren Verstand, die Schaltstelle der Basalganglien, die Kommandozentrale des Kleinhirns, die emotionalen Zentren, das Gedächtnis, die Führungsabteilung des Thalamus und den alles verbindende Hirnstamm als Überlebensinstanz. Dies sind die großen Städte auf der Landkarte des Gehirns.

All diese Städte sind miteinander verbunden und haben natürlich auch alle selber ein Straßennetz. Wir haben ja schon dargelegt das unser Gehirn permanent dieses Straßennetz ausbaut und auch wieder zurückbaut, je nach Bedarf. Es ist, in dieser Beziehung, wie ein Muskel: Was man oft nutzt wird größer und stärker.

Anhand der Verteilung der Nervenzellen im Gehirn kann man sehen dass unserem motorischen System eine sehr große und gewichtige Rolle zu kommt (wir erinnern uns: 4/5 aller Hirnzellen!). Dies macht natürlich auch Sinn, da wir uns in unserer Umwelt permanent bewegen und mit ihr interagieren müssen. Uns wird jedoch nur ein sehr kleiner Teil der Informationen aus unseren Muskeln, Knochen und Sehnen an den Verstand zurückgemeldet, d.h. wir nehmen nur einen sehr kleinen Teil unserer Körperinformationen bewusst war.

Man kann sich dies am ehesten wie mit einem Computer vorstellen. Wir müssen nicht den Programmcode des Betriebssystems kennen oder den des Browsers mit dem wir diese Zeilen lesen. Wir müssen nicht die Prozessorarchitektur kennen mit dem der Computer angetrieben wird und auch nicht all die Stationen mit denen die Informationen dieser Webseite auf ihren Bildschirm gelangen, geschweige denn deren inneren Aufbau.

Wichtig sind die Informationen auf dem Bildschirm, mit ihnen arbeiten wir. Genauso ist es mit unserem Verstand. Er muss nicht alle Informationen kennen, er muss nur mit den Ergebnissen dieser Informationen arbeiten.

Unser Körper hat sehr viele Möglichkeiten auf unterbewusster Ebene unser motorisches System zu beeinflussen. Aus unseren emotionalen Zentren treffen permanent Erregungen in den unwillkürlichen Schaltzentren, z.B. im Hirnstamm, ein. Unsere Basalganglien unterliegen auch permanent Doppel- und Dreifachbelastungen, da sie Emotionen, Verstand und Lernen gerecht werden müssen und dazu noch dem Hirnstamm und dem Thalamus Bericht erstatten müssen, während sie auch eine gewichtige Rolle in der Ausführung von Bewegungen spielen. Von all diesen, unter der Oberfläche ablaufenden, Vorgängen bekommen wir nichts mit, da „wir“ mit „wichtigeren“ Dingen beschäftigt sind (z.B. diesen Text lesen oder Kaffeetrinken).

Jetzt sind unsere Straßennetze im Gehirn aber nicht überall gleich gut entwickelt. Es gibt, auf Grund unserer Erfahrungen, Engstellen, Sackgassen, Autobahnen und Trampelpfade. Insbesondere die Straßen unserer Körpereigenwahrnehmung sind oft sehr dürftig ausgebaut, eben weil unser Körper sehr viel instinktiv macht und wir unser Gehirn für andere Dinge nutzen, als uns bewusst (achtsam) zu bewegen. Durch ein permanentes Dauerfeuer aus den emotionalen Zentren und den Ansprüchen unseres Verstandes gehen die Informationen aus unserem Körper oft unter und finden keine Beachtung. Der Hirnstamm und das Kleinhirn steuern die Muskelspannung autonom und „belästigen“ den Verstand nicht mit genaueren Einzelheiten. Der Preis dafür ist jedoch ein Zurückbauen des entsprechenden Straßennetzes.

Über den Einsatz von Bilder zur Bewegungssteuerung nutze ich nun sehr viele Straßen in meinem Gehirn gleichzeitig, insbesondere dann, wenn ich versuche alle Teile meines Körpers wahrzunehmen und harmonisch zu bewegen. Ich will dann z. B. nicht nur meine Arme anheben, sondern ich möchte ein Gefühl an meinem ganzen Körper erzeugen, als ob ich unter Wasser stehe und der Auftrieb des Wassers meine Arme nach oben bewegt, während mein ganzer Körper durch die Eigenbewegung des Wassers bewegt wird und sich austarieren muss.

Eine Idee ermöglicht mir auf die sonst unbewussten Informationen der Körperspannung zuzugreifen und diese mit Hilfe von dazugehörigen Bildern zu verändern und anzupassen, indem ich mich bewusst und sehr diffizil und fein abgestuft bewege. Da man die Straßen am besten ausbaut wenn man sie oft benutzt sollte dies mit einer hohen Wiederholungsrate geschehen.

Durch das Nutzen von Bildern und Bewegung, die die Körpereigenwahrnehmung verbessert, baue ich mein Straßennetz zwischen den Städten aus, aber auch innerhalb der Städte. Ich verbessere meine gesamte Infrastruktur des Gehirns. Eine Idee/Bild erregt durch das Straßennetz alle Städte, und deren Straßen, im Gehirn. Aus dem All, bei Dunkelheit betrachtet, würden alle Straßen Europas, durch die auf ihnen fahrenden Autos, leuchten.

Jetzt gibt es das Phänomen der „kombinierten Erregungsmuster“. Wenn ich durch eine Idee eine bestimmte Anzahl an Dörfern und Städten zum Leuchten bringe, also das Straßennetz dorthin nutze, dann baue ich diese Straßen aus. Wenn ich jetzt eine andere Idee nehme, die ebenfalls ein bestimmtes Straßennetz zum Leuchten bringt, und sie mit der vorherigen Idee koppele, dann leuchten auf einmal deutlich mehr Straßen und werden so besser ausgebaut. Ich habe das Netz erweitert. Letztendlich ist es dann egal in welcher Stadt die Idee entsteht, durch das Straßennetz breitet sie sich auf allen Wegen aus und erreicht alle angeschlossenen Dörfer und Städte.

Durch diese kombinierten Erregungsmuster erhalten auf einmal Gehirnregionen Anschluss an das Straßennetz die ich evtl. vorher nicht, oder nur mit Mühe, erreichen konnte. Je besser die Infrastruktur desto effektiver die Transportwege.

Das Ziel des Trainings in den chinesischen Kampfkünsten ist es ein möglichst gut ausgebautes Straßennetz zu bekommen. Zwischen den Städten und in den Städten und Dörfern des Gehirns. Dadurch kann ich versuchen das gesamte Potential des menschlichen Geistes zu nutzen und mich zu entwickeln.

Die Arbeit mit den Muskeln des Körpers spielt dabei eine große Rolle, da das motorische System an vielen Stellen des Körpers beeinflusst wird und man über die Arbeit damit viele Straßennetze und Städte des Gehirns erreichen kann.

Wie wir in dem Artikel über die Didaktik schon geschrieben haben sind die kämpferischen Anwendungen ein wichtiges Werkzeug, aber auch die Methode des „Stehens“ spielt eine wichtige Rolle. Man kann bestimmte Dinge im Körper besser wahrnehmen und beeinflussen, wenn man keine „Ablenkung“ durch einen Gegner hat, sondern sich zunächst auf sich, seine Muskeln und seine Wahrnehmung konzentrieren kann. Erst ohne sich im Raum zu bewegen, dann auch mit Bewegung im Raum und zuletzt in Koordination mit dem Gegner.

Mit wachsendem Ausbau unseres Straßennetzes wächst dann die Qualität unserer Eigenwahrnehmung und die Möglichkeit unserer Körperkontrolle. Durch das Herausarbeiten von essentiellen Prinzipien und das Anwenden dieser, erhöhen wir stetig den koordinierten Verkehr auf unserer Infrastruktur und verbessern den Verkehrsfluss. Wir beseitigen Engstellen und bauen kontinuierlich die Straßen aus.

Dadurch halten wir permanent die Anforderungen an uns hoch und verbessern uns immer weiter. Im Idealfall läuft der Verkehr jederzeit ungehindert und reibungslos, während wir parallel an dem Ausbau des Netzes arbeiten. Dann befinden wir uns im Zustand des sogenannten „Flows“.

Wenn wir es schaffen diesen Zustand aufrecht zu halten, werden wir nicht so leicht in dem Zustand des „Freeze“ gefangen oder in „Flight“ gehen, wenn wir mit einem Problem konfrontiert werden. Auf der anderen Seite wird uns im Training aber auch nicht langweilig, da wir ja permanent unser Straßennetz erweitern, indem wir neue Ideen nutzen und immer neue Erregungsmuster kombinieren.

Da diese Ideen und Straßen aber nicht nur auf die motorischen Areale beschränkt sind, sondern ihren Ursprung in unserem Verstand haben, und auch unsere Emotionen und Erfahrungen mit einbeziehen, wachsen wir als gesamte Persönlichkeit und profitieren auf allen Ebenen von dem Training. Bis auf einmal alles Training wird und die verbindenden Elemente sichtbar werden…

 

Kampf und Kunst

Wir haben hier ja schon mehrmals über „Bilder“ und „Ideen“ geschrieben, aber wie hängen diese zusammen?
Um das zu verdeutlichen möchte hier ein Beispiel aus der Kunst nutzen: Michelangelos Decke in der Sixtinischen Kapelle. Die Decke selber ist ein „Bild“, welches aus vielen einzelnen „Bildern“ besteht. Diese Bilder wiederum bestehen aus vielen einzelnen Ideen.

Die „Erschaffung Adams“ in der Mitte, zum Beispiel, ist ein Bild innerhalb der Decke. Dieses Bild beinhaltet verschiedene inhaltliche Ideen. Man achte z.B. auf das Gehirn in dem Gott ist, oder auf die Gesichter der Personen (genaueres sollte man sich aber von einem versierten Führer vor Ort, im Vatikan, erklären lassen…).

Die inhaltlichen Ideen setzte Michelangelo wiederum durch verschiedene handwerkliche Techniken um. Diese Techniken sind auch „Ideen“ um bestimmte Effekte zu erreichen (3D-Effekte, Perspektive etc.).

Was hat aber nun diese Decke mit der Kampfkunst, insbesondere der chinesischen Kampfkunst, zu tun? Ganz einfach:

Die Handhaltungen, Wechsel, Anwendungen sind alles einzelne Bilder. Sie definieren eine Form mit der Ideen transportiert werden sollen. Diese Ideen wiederum sind Ausdruck von anderen Ideen. Wie bei Michelangelo: Die handwerkliche Technik verleiht einer Idee im Bild Leben, damit diese Idee ein Bild formt, das im Gesamtkunstwerk der Decke zum Ausdruck kommt.

Die CMA sind eine sog. „prinzipienorientierte Kampfkunst“, und Bilder und Ideen sind das didaktische Mittel um diese Prinzipien zu verstehen und anzuwenden.

Ohne einen fachkundigen Führer wird man Michelangelos Meisterwerk in der Sixtinischen Kapelle nicht verstehen. Man braucht jemanden der einem die Anspielungen zeigt, erklärt und auch erklärt wie Michelangelo diese umgesetzt hat, bzw. wie sich das Ganze in den Rest des Vatikans einordnen lässt.

Ohne einen fachkundigen Lehrer in den CMA wird man nicht verstehen wie man zur „Natürlichkeit“ gelangt, denn auch dazu braucht man die Erklärungen. Hier ist es nur eben nicht ein materielles Kunstwerk, sondern das Kunstwerk ist der Kampf. Die Kunst manifestiert sich im Kampf, bzw. dem Kämpfenden. Die Sprache, um diese Kunst zu verstehen, liegt im soziokulturellen Kontext des altertümlichen China: Der Natur, der Kultur (Taoismus, Konfuzianismus) und dem Militär.

Durch das Üben und Verstehen der Prinzipien anhand der Bilder und Ideen wird der Kampf zur Kunst, die sich aber auf alle Bereiche des Menschen auswirkt. Der Mensch selbst wird zum „Kunstwerk“: durch das Verständnis der Natur wird er selbst wieder natürlich.